Der nackte Kaiser von Köln

Manchmal, liebe Leser, ist es nützlich, den Blick nach oben zu wenden, denn auch in Höhe der ersten Stockwerke verschiedener Gebäude in Köln gibt es Interessantes, Kurioses und bisweilen Lustiges zu sehen.

Ein schönes Beispiel dafür ist das Geschäftshaus in der Brückenstrasse 17, schräg gegenüber von St. Kolumba und in der gleichen Häuserzeile gelegen wie das Disch-Haus (--> Manufactum).  Ursprünglich 1914 gebaut wurde es nach teilweiser Zerstörung im Zweiten Weltkrieg in der 1950er Jahren wiederaufgebaut. In früheren Zeiten diente es zunächst dem Modehaus Salomon und später der Modeunion als repräsentatives Geschäftslokal in der Kölner Innenstadt.

Da ist es mehr als passend, dass in der Fassade oberhalb des Schaufenster das Märchen "Des Kaisers neue Kleider" des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen dargestellt ist.


Der Kaiser nämlich liebte schöne, schicke Kleider über alles, am liebsten betrachtete er sich vor dem Spiegel und probierte neue Roben aus.

 

Davon hörten zwei betrügerische Weber. Diese gaben vor, aus feinster Seide Stoffe zu weben, die nicht nur durch ihre Farben und Muster zu gefallen wussten. Vielmehr besaßen sie die Eigenschaft, nur von gescheiten Leuten gesehen zu werden und solchen, die sich ihres Amtes als würdig erweisen.

Das war natürlich ganz nach dem Geschmack des Kaisers. Er übergab den beiden ein Handgeld, damit sie die Rohstoffe für ihr Unterfangen kaufen konnten. Diese steckten das Geld jedoch für sich ein und taten am leeren Webstuhl nur so, als ob sie die wunderbarsten Stoffe mit den exquisitesten Mustern weben würden.

 

 

Zweimal schickte der Kaiser hohe Beamte bei den Webern vorbei, um sie zu kontrollieren. Natürlich sahen auch sie nichts, aber aus Angst, dass sie als dumm oder unfähig angesehen wurden, taten sie nicht nur so, als würden sie die angepriesenen Stoffe wahrnehmen, sondern berichteten dem Kaiser darüber hinaus, dass alles mit rechten Dingen zuginge.

 

 

Schließlich meldeten die Weber, dass alles fertig sein und baten zur Anprobe. Der Kaiser konnte gleichfalls nichts erkennen, gleichwohl wollte auch er nicht als dumm und unfähig dastehen. Also machte er gute Miene zum bösen Spiel und lobte das Werk der Weber über alle Maßen.

 

Sein Hofstaat riet ihm schließlich, das neue Gewand bei einer großen Prozession zu trage, die in Kürze anstehen würde.

Der Kaiser ging also splitternackt unter seinem Thronhimmel durch die Stadt, die Kammerherren taten so, als trügen sie eine Schleppe, die es ja gar nicht gab und das Volk bejubelte ebenfalls die neue kaiserliche Robe, weil es nicht für dumm gehalten werden wollte.

 

Es war schließlich ein kleines Mädchen, das den Bann brach. "Aber er hat ja nichts an!", rief es und nach und nach schloss sich das Volk ihm an.

 

Der Kaiser aber beschloss, sich nichts anmerken zu lassen und die Prozession bis zum Schluss auszuhalten.

Frei erzählt nach Hans Christian Andersen